Motion Gemeinnütziger Wohnraum im Morgental

Motion von Advije Delihasani vom 7. Mai 2020.

Der Stadtrat wird aufgefordert

1. die Grundstücke Kat.-Nrn. 7369 und 7370 sowie die Zubringerstrasse mit Wendehammer
Kat.-Nr. 7371 im Morgental einem oder mehreren gemeinnützigen Bauträgern im Baurecht
abzugeben;

2. den gemeinnützigen Bauträger zu verpflichten, die Parzellen nach Möglichkeit zusammen
mit der IGEBA-Baugenossenschaft zu entwickeln, unabhängig davon, ob ein
Dienstbarkeitsvertrag gemäss SRB vom 15. April 2020 mit der IGEBA-Baugenossenschaft
zustande kommt. Dies betrifft insbesondere qualitätsvolle Aussenräume und
Gemeinschaftsanlagen;

3. sicherzustellen, dass der gemeinnützige Bauträger ein sozial, ökologisch und wirtschaftich
nachhaltiges Vorzeigeprojekt entwickelt.

Begründung

  1. Eidgenössische Abstimmung vom 9. Februar 2020
    Am 9. Februar haben die Schweizer Stimmberechtigten die Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» mit 57 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Ein Hauptargument der Gegner lautete, dass nur in wenigen Gemeinden, namentlich Städten, Bedarf nach mehr günstigen Wohnungen bestehe. Es sei deshalb nicht sinnvoll, die Forderung für die ganze Schweiz zu stellen, selbst dort, wo ein Überangebot an günstigem Wohnraum bestehe.
    In Wetzikon liegt der Anteil gemeinnütziger Wohnungen bei 3,8%. Der Schweizer Durchschnitt liegt bei 5%1. Als Vergleich der Anteil von Nachbarstädten: Uster weist einen Anteil von 5,6% und Illnau-Effretikon gar 8,6% aus. Vor allem Familien und ältere Menschen mit bescheidenem Einkommen finden nur schwer passende und bezahlbare Wohnungen. Auch günstige Altbauwohnungen sind nach Sanierungen / Renovationen für viele nicht mehr erschwinglich. Dies wird auch von den hier ansässigen Landeskirchen so wahrgenommen. Die Stadt ist deshalb gefordert, den Bau günstiger Wohnungen voranzutreiben. 
  2. Gesetzliche Grundlagen
    Das Amt für Raumentwicklung des Kantons Zürich hält im Bericht «Langfristige Raumentwicklungsstrategie Kanton Zürich – Schlussbericht 2014» fest: «Um die Funktionsfähigkeit der Gemeinden sicherzustellen und den sozialen Zusammenhalt innerhalb des Kantons zu erhalten, ist preisgünstiger Wohnraum für unterschiedliche Zielgruppen zu ermöglichen, insbesondere in den urbanen Handlungsräumen. Der Kanton schafft dazu die entsprechenden Rahmenbedingungen. Gerade auch in Verdichtungsprozessen ist vermehrt auf den Erhalt von preisgünstigem Wohnraum zu achten.»
    Diese Forderung wird im kantonalen Richtplan vom 22.10.2018 so umgesetzt: «Sie [die Gemeinden] achten dabei auf eine hohe Qualität der Bauten und der Aussenräume. Sie entwickeln orts- bzw. städtebauliche Konzepte für Neubaugebiete sowie insbesondere auch für Gebiete, die umgenutzt, erneuert oder verdichtet werden sollen. Sie achten dabei auf den Erhalt geeigneter Flächen für das produzierende Gewerbe, auf die Sicherung der Nahversorgung und auf ein ausgewogenes Wohnungsangebot, das auch preisgünstigen Wohnraum umfasst.»
  3. Immobilienstrategie
    In der Immobilienstrategie vom 10. März 2016 (SRB vom 29. Juni 2016) ist die Abgabe der Grundstücke im Morgental im Baurecht als «denkbar» bezeichnet. Baurecht sei für die Stadt insbesondere dann sinnvoll, wenn sie gezielt genossenschaftliches Wohnen oder Nutzungen im öffentlichen Interesse fördern wolle. Dafür besteht im Morgental die Chance!
    Die Interessen der Stadt werden optimal erfüllt, wenn das städtische Land einer gemeinnützigen Genossenschaft (oder Stiftung) im Baurecht abgeben und sie mit der Erstellung von Wohnraum beauftragt wird. Während die IGEBA (und andere Genossenschaften) gemäss ihren Statuten «marktübliche Mietzinsen» verlangt, verpflichten sich die Gemeinnützigen zur Kostenmiete und zum Spekulationsverzicht.
  4. Stadtratsbeschluss 2020/70, Absichtserklärung Dienstbarkeiten für IGEBA
    Mit dem Stadtratsbeschluss vom 15. April 2020 bekräftigt der Stadtrat die Absicht, eine für alle Beteiligten gesamtheitliche nachhaltige und attraktive Entwicklung aller Grundstücke im Morgental anzustreben. Er stellt der IGEBA für die Entwicklung der Grundstücke Kat.-Nrn. 10668 und 10669 gegenseitige Dienstbarkeiten, Näherbaurechte sowie Grenzbaurechte in Aussicht. Dies entspricht Projekt 8.1 «Aktive Immobilienpolitik» aus dem Legislaturziel Nr. 8. Gegen diese Dienstbarkeiten ist nichts einzuwenden, sofern die Stadt ihr eigenes Land nicht verkauft, sondern vielmehr dafür sorgt, dass ein sozial und ökologisch mustergültiges Bauprojekt umgesetzt wird. 
  5. Vorteile des gemeinnützigen Wohnungsbaus
    Die Stadt Wetzikon unterstützt Menschen mit wenig Geld fast ausschliesslich über Mietzinszuschüsse im gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen (sog. Subjekthilfe). Damit erreicht sie zwar mit hoher Treffsicherheit anspruchsberechtigte Menschen. Sie trägt aber auch zu einem allgemeinen Preisanstieg und zur Verbesserung der Renditen der Wohnungsanbieter mit Steuergeldern bei. Mietzinszuschüsse sind A-fonds-perdu-Beiträge, die verpuffen, ohne dass eine nachhaltige Wirkung auf dem Wohnungsmarkt erzielt wird. Wetzikon gibt dafür jährlich rund 164'000 Franken aus.
    Anders sieht es im gemeinnützigen Wohnungsbau aus (sog. Objekthilfe): Preisgünstig erstellte Wohnungen bleiben dank der Kostenmiete auf Dauer preiswert. Statt jährlich wiederkehrend Wohnzuschüsse im Rahmen von Ergänzungsleistungen oder der Sozialhilfe auszugeben, wird das fehlende Angebot aufgebaut. Mit Einkommens- und Vermögenslimiten sowie Belegungsvorschriften kann sichergestellt werden, dass die Wohnungen der Zielgruppe zur Verfügung stehen. Allenfalls könnte eine Wohnbaugenossenschaft ergänzend dazu verpflichtet werden, seit mind. 5 Jahren in Wetzikon ansässige Personen zu bevorzugen.
    Der durchschnittliche Wohnflächenverbrauch pro Kopf ist in Genossenschaftswohnungen mit ca. 37 m2 15 Prozent tiefer als in konventionellen Mietwohnungen (ca. 43 m2) und 30 Prozent tiefer als im Wohneigentum (ca. 53 m2). Bei gemeinnützigen Wohnungen ist auch der Grundflächenverbrauch am geringsten. Es handelt sich also um die ökologischste Wohnform.
  6. Steuerkraft und Engagement
    Mit dem Hinweis auf die «guten Steuerzahler», die man anziehen wolle, wird die Forderung nach preisgünstigem Wohnraum von bürgerlicher Seite verteufelt. Dabei wird Folgendes ausgeblendet:
    - Viele Familien, die zuerst in Genossenschaftswohnungen wohnen, erwerben später
    Wohneigentum. Über deren Steuerkraft sei damit nichts ausgesagt. Sie bleiben aber
    langfristig in Wetzikon und tragen zu einem regen Stadtleben bei.
    - Quartiere mit vielen Genossenschaftswohnungen erbringen pro Quadratmeter einen
    höheren Steuerertrag als viel weniger dicht besiedelte Quartiere mit reichen
    Steuerpflichtigen.
    - Weil der gemeinnützige Wohnungsbau wenig Grundstücksfläche verbraucht, sind die
    Kosten für staatliche und private Infrastruktur und Dienstleistungen (z. B. Strom, Wasser,
    Kehrichtentsorgung, Strassenreinigung, Post, Telecom) deutlich tiefer.
    - Genossenschafterinnen und Genossenschafter engagieren sich weit überdurchschnittlich für die Gemeinschaft. So wohnen oder wohnten mehrere Parlaments- und Stadtratsmitglieder in einer gemeinnützigen Genossenschaft, ebenso aktive oder bisherige Mitglieder der Sozialbehörde und der Schulpflege.

Ansprechperson zu diesem Thema

Advije Delihasani

Advije Delihasani

Co-Präsidentin, Vizepräsidentin RPK

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