Wetziker Lebensqualität wird langfristig durch Lärm belastet
In Wetzikon wird gebaut. Wird sehr viel gebaut. Kaum ein Stadtteil, der nicht von einem grossen Bauvorhaben betroffen ist. Das bringt der Stadt viel mehr Einwohner und damit verbunden auch eine grosse Verantwortung bezüglich unserer Lebensqualität.
Die Ausnahme wird zur Normalität
Da viele der neuen Bauten an Hauptverkehrsachsen liegen, ist es recht schwierig, dort eine Wohnsituation zu schaffen, die der gesetzlichen Lärmschutzverordnung Genüge tut. Und was dann? Ganz einfach – entspricht die Lärmsituation nicht den gesetzlichen Vorgaben, so gibt es ja «Ausnahmebewilligungen».
Dies sehen die Bauherrschaften so vor bei der Überbauung «Oase» an der Hinwilerstrasse, beim Projekt des ZO an der Rapperswilerstrasse, beim Egolf-Neubau im Zentrum, und nun liegt wieder ein Baugesuch auf an der Ecke Stations-/Bahnhofstrasse, das auch auf eine Ausnahmebewilligung hofft. Genauso wie bei aktuell noch mindestens sechs Bauvorhaben in Wetzikon, von denen die meisten bereits bewilligt sind. Und es werden weitere kommen.
Da fragt sich wohl mancher, was an der «Ausnahmebewilligung» denn die Ausnahme sei, wenn diese zur Regel wird. Und genau das ist die Krux: Wie kann der Stadtrat oder der Kanton - wenn das Gebäude an einer Kantonsstrasse liegt - bei irgendeinem Bauvorhaben die «Ausnahme» nicht genehmigen, wenn er es ja bei allen anderen Gesuchen getan hat?
Strassenschluchten mit öden Fassaden
Und dann kommt noch ein Problem dazu, das neulich von FDP-Kantonsrat Stephan Weber angesprochen wurde: Da die Bauherrschaften die Bewohner ihrer neuen Häuser möglichst vor dem Lärm schützen wollen – und um einen Konflikt mit der Lärmschutzverordnung zu vermeiden - werden Wohnräume, Balkone, Fensterfronten auf der Seite angeordnet, die von der Strasse abgewendet ist. Alle Elemente, welche die Fassade auflockern und verschönern und das Stadtbild prägen, verschwinden. Was zurückbleibt, sind verödete, eintönige Fassaden, welche Strassenschluchten zurücklassen, die den Lärm grad noch einmal zurückwerfen.
Ein Anfang mit grosser Verspätung
Bis zum Jahr 2002 hätten unsere Strassen als Hauptverursacher des Lärms nach dem Umweltschutzgesetz von 1987 saniert sein müssen. Die dritte und bisher letzte Verlängerungsfrist verstrich am 31.03.2018. Nun hat es der Stadtrat erst in diesem Jahr geschafft, ein Lärmsanierungsprojekt wenigstens für einige betroffene Strassen vorzulegen. Das freut uns zwar, lässt aber einen schalen Nachgeschmack zurück. Denn benachteiligt wurde über Jahre ein grosser Teil der Wetziker Bevölkerung und wird es noch über viele Jahre bleiben.
Saniert wird nämlich nur ein kleiner Teil der übermässig belasteten Strassen. Und nur weil es die Lärmschutzverordnung verlangt - und nicht etwa, weil dem Stadtrat der Schutz der Bevölkerung so sehr ein Anliegen ist. Sonst würden mit der regelmässigen Erteilung von Ausnahmebewilligung bei Neubauten nicht ständig neue Bevölkerungskreise einer Gesundheitsgefährdung ausgesetzt. Und dies, obwohl die Lärmschutzverordnung sie eigentlich schützen sollte.
Was tun?
Massnahmen zur Eindämmung des motorisierten Privatverkehrs und zu dessen Lärmverminderung gibt es viele, aber Lärmschutzwände sind genauso verpönt wie Strassenverengungen. Auf Autos und Reifen zu hoffen, die weniger Lärm verursachen, ist ok, genauso wie der Einbau eines Flüsterbelags. Die äusserst sinnvolle Förderung des Langsam- und des öffentlichen Verkehrs sollten zügig vorangetrieben werden, aber die günstigste und wirksamste Methode ist immer noch die Verlangsamung des motorisierten Verkehrs.
Um die Belastung für die Bevölkerung zu mildern und die Standortattraktivität zu erhöhen, sollte also nicht nur die gesetzlich schon längst fällige Lärmsanierung beim Strassennetz umgesetzt werden. Sondern mehr noch: Es sollte nur noch dort Wohnraum geschaffen werden dürfen, wo die Lebensqualität den Ansprüchen einer aufgeklärten Gesellschaft entspricht.
Dazu ist ein modernes Gesamtverkehrskonzept überfällig und ebenso die dringend nötige Überarbeitung der Bau- und Zonenordnung. Damit das alles fachlich kompetent und unter Mitwirkung der Bevölkerung vonstattengehen kann, muss in der Verwaltung eine durchsetzungsfähige Stadtplanung eingerichtet werden.